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Durch Russland


Juni 2011

Schamanenfelsen auf Olchon

Einreise Russland

Um 09.00 Uhr verlassen wir relativ zügig die Ukraine. Es hat so viele Fragen und Grenzbeamte gegeben, dass Brigi meinte, wir hätten einen Teil Russlands auch schon geschafft. Dem war leider nicht so, denn schon beim Einweise-Posten für Russland ging die Telefoniererei erneut los. Sie wollten uns zu der LKW-Warteschlange weisen; wir insistierten auf „Caravan" und setzten uns durch. Eine junge Beamtin wurde zu uns ins Auto gesetzt und führte uns über das grosse Zollgelände zu Gate Nummer 6 für PKW. Dort waren wir aber nicht willkommen und wurden nach einer halben Stunde zur LKW Fahrzeugabfertigung weitergereicht. Da war eine routinierte Dame mittleren Alters am Schalter. Sie stellte den ersten Teil unserer Papiere aus und kontrollierte Robusto. Zuerst war sie todernst. Auf dem Weg zu Robustos Kontrolle spreche ich sie an und fragte sie, ob sie und ihre junge Kollegin bis Irkutsk mitkommen wollten, wir würden dann Brigitte zurücklassen. Das Eis war geschmolzen und die beiden lachten das erste Mal herzhaft. Die Fahrzeugkontrolle war dann eine kurze Formsache. Dann ging es zurück zu Durchgang sechs, wo die persönlichen Papiere noch ausgefüllt werden mussten. Da half uns der Chef persönlich, den wir zuerst als Brummbär eingestuft hatten. Er entpuppte sich als sehr netter Mensch, welcher auch die Zollkontrollen an den vielen PKWs unkompliziert vornahm. Uns füllte er ein auf Kyrillisch geschriebenes Zollformular als Vorlage aus, kreuzte alle kritischen Fragen für uns hoffentlich richtig an. Davon durften wir eigenhändig 2 Originale herstellen.

Der Beamte wies noch darauf hin, dass er uns anstelle unseres Visum für einen Monat nun für Personen und Fahrzeug drei Monate Russlandaufenthalt gegeben habe!

Die Ausreise Ukraine sowie die Einreise Russland dauerte mit Abschluss der Versicherung und Geldwechsel 2 ½ Stunden. Da niemand, aber wirklich niemand eine Fremdsprache sprach, ist dies sicher eine gute Zeit und zeigt, wie hilfsbereit die Grenzbeamte/innen trotz Sprachbarrieren waren. Die Uhren nun noch eine Stunde vorgestellt - Russland wir sind da!

Dies hat nach 150 KM auch ein Polizist gemerkt, der uns in einem Ort trotz Schattenfahren hinter einem LKW mit korrekter Geschwindigkeit erspähte und rauskommandiert hat. Brigi stieg aus, er wollte bei mir auf der Fahrerseite in das Fahrzeug rein, was ich auf Schweizerdeutsch und Gestikulieren verhinderte. Daher war er schon recht sauer. Dies änderte sich auch nicht, als er die Tachoscheibe nicht erhielt, um unsere Geschwindigkeit zu überprüfen. Robusto als Caravan zugelassen ist nicht scheibenpflichtig. Er wurde immer lauter, was uns nicht beeindruckte, bis er mit einer nicht netten Handbewegung zeigte, dass wir verduften sollten. Den ersten Test mit den von Russlandreisenden sehr oft nicht positiv erwähnten Polizeikontrollen hatten wir gut bestanden. Hoffentlich bleibt dies so!

Die Uhren ticken in Russland immer wieder etwas schneller...

Bei der Einreise in Russland hatten wir gegenüber der Ukraine die Uhren mal eine Stunde vorgestellt. Irgendwann merkten wir, dass dies nicht reichte und wir nochmals eine Stunde nachdoppeln mussten. In Omsk fuhren wir von unserem Lagerplatz mit einem Taxi 20 Km in das Zentrum. Wir zeichneten für den Fahrer zwei Zifferblätter, eines mit der vermeintlichen aktuellen Zeit und eines mit der von uns gewünschten Zeit, wann er uns am selben Platz wieder abholen sollte. Er war auf zack, denn er zeigte uns sein Handy, wo wir feststellten, dass wir schon wieder eine Stunde verloren hatten. Das Abholtreffen funktionierte zur korrekten, abgemachten Zeit. Hier sind wir gegenüber der Schweizerzeit nun 5 Stunden voraus. In Ulan-Ude nach dem Baikalsee war die Zeitdifferenz dann
7 Stunden.

Jekaterinburg

Herrliches Wetter, das sich aber bis Mittag verzieht und wolkenverhangenem Himmel Platz macht. Wir fahren bis Katarinenburg und lassen Robusto auf dem grossen Parkplatz beim Aquapark zurück. Im danebenliegenden Einkaufszentrum kauften wir einige Spezialitäten, unter anderem auch Wodka für 7.00 Sfr. Die Europäischen Spezialitäten sind einiges teurer als in der Ukraine, aber immer noch wesentlich günstiger als in Europa. Die Taxifahrt ist auch in Russland ein Abenteuer. Um jeden Zentimeter wird gerangelt. In die Stadt hinein für rund 15 Km bezahlen wir in einem alten Lada 10 Sfr, zurück in einem neuen Passat nur noch 6 Sfr. Hat sich aber gelohnt, denn für die Geisterbahn bezahlt man ja auch. Es ist eine sehr grosse, mehrheitlich neu gebaute Stadt mit vielen Hochhäusern. Wir sind im Zentrum bei der Kirche und dem Fluss entlang flaniert, haben wieder einmal mehr die grosszügige Bauweise der alten Häuser und der riesigen Parkanlagen bestaunt. Ein uraltes Tram hat seinen Stromabnehmer verbogen und blieb stehen, was im Abendverkehr ein totales Chaos bewirkte. Taxis sind in Jekaterinburg Mangelware, weshalb wir für das Zurückfahren über eine halbe Stunde Ausschau halten mussten.

Russische Dammstrassen bei Regen...

Wir fahren über Tjumen, Ishim Richtung Omsk. Heute schüttet es wie aus Kübeln. Dies wird einer Lady mit ihrem 4x4 zum Verhängnis, ist sie doch über den Damm runtergerutscht und hat den Wagen bis zum Bodenbrett total reingewühlt. Es hat genügend russisch sprechende, einheimische LKW-Fahrer, also fahren wir vorbei. Das 2. Malheur passiert einem langen Sattelzug, welcher an einer schmierigen Stelle ins Rutschen kommt und dadurch seinen Aufleger den Hang runter schleuderte. Eine grosse Baumaschine ist schon am Bergen. Der dritte im Bunde ist ein mittelgrosser Lieferwagen, der uns bei sehr starkem Regen überholte. Nach einer halben Stunde ist er wieder direkt vor uns in einer zügig fahrenden LKW-Kolonne. Auf einer geraden Strecke will er wohl auf dem Seitenbankett anhalten. Dazu stellt er den Blinker rechts, fährt viel zu schnell auf das matschige Bankett. Ich sehe, wie das linke Vorderrad blockiert und sage zu Brigi, wenn er jetzt nicht ab der Bremse geht, passiert es. Wir fahren vorbei. Als ich ihn im Rückspiegel wieder sah, hatte er die Abfahrt über die steile Dammwand schon glücklich geschafft und sass fest. Einer der vielen LKW hat ihn gegen Entgelt sicher wieder hochgezogen. Überholt hat uns dieser Pechvogel bis jetzt aber nicht mehr.

MAN Omsk

Fahrt durch verregnete, wolkenverhangene Landschaft. 25 KM vor Omsk sieht Brigi eine moderne, neue MAN- und Renault-Truckvertretung. Vor 3 Tagen habe ich beim Fahrzeug-Tagescheck bei einem der vier hinteren Stossdämpfer Öl/Fettspuren gesehen. Wir haben uns vorgenommen, in einer der auf der Strecke liegenden MAN Vertretungen vorbeizuschauen, um den Dämpfer eventuell zu wechseln. In 1 ½ Stunden wurden 2 neue Original-Stossdämpfer beidseitig auf der mittleren Achse für insgesamt nur 350 Sfr. montiert. Der defekte wäre auch noch einigermassen funktionsfähig gewesen. Für die Mongolei ist es aber sicher besser, optimal gedämpft zu fahren. Da MAN grundsätzlich die Dämpfer immer paarweise wechselt, haben wir nun ein einwandfrei funktionierendes Stück als Reserve dabei. Bezahlen durften wir nur mit Bargeld und zwar in Rubel und keiner Fremdwährung. Da unser Rubelvorrat knapp nicht reichte, wurde kurzerhand ein Mechaniker mit seinem Privatfahrzeug als Taxi eingesetzt. Mit einem „Volga" ging es einige KM Richtung Zentrum zu einem Bankomaten. Brigi kam mit so viel Rubel retour, die wohl bis an die mongolische Grenze reichen werden.
Danach kamen wir zusammen mit dem Direktor und dem zufällig anwesenden Alexey Flink, Dealers Development Manager MAN Russland aus Moskau in den Genuss einer Betriebsbesichtigung. Er sprach gutes Englisch. Beide waren sehr an unserer Reise und an unserem Fahrzeug interessiert.

Unterwegs...

Morgens nach der Abfahrt haben wir einen der langen Züge gefilmt. Die ziehen mit zwei bis drei Loks über 70 Wagen. Die Bahnübergänge sind bei geschlossenen Barrieren zusätzlich mit schräg hochgeklappten Metallplatten gegen auf die Geleise fahrende Fahrzeuge gesichert.
Bei schönem Wetter sind wir bis 217 Km vor Irkutsk gefahren. Das erste Mal in Russland haben wir einen Eindruck bekommen, wie extrem schlecht die Strassen wohl früher waren. Die schlechten Abschnitte waren zum Glück für uns nicht sehr lang, von den schweren Sattelschleppern aber nur im Schritttempo zu bewältigen. Es bleibt aber festzustellen, dass die Strassen im östlichen Russland durchschnittlich in einem schneller zu befahrenden Zustand sind. Das Gelände war heute viel hügeliger. Die Städte in einem trostlosen Zustand, geprägt von verfallenen Industriebauten und -anlagen und riesigen, verwahrlosten Wohnsilos. Die Städte erscheinen uns riesig und irgendwie unwirklich in diesem auf so lange Strecken menschenleeren Land. Die der Strasse entlang gebauten kleinen Orte haben mit ihren Holzhäusern, den geschnitzten und bemalten Fenstereinfassungen hingegen einen besonderen Charme.

Geschwindigkeit Innerorts jeweils obligatorisch max. 60, sehr oft reduziert auf 40 KM/h. Der Frühling hält Einzug, viele Blumenwiesen und blühende Bäume. Tagestemperaturen um die 25 Grad. Auf der von uns gewählten Route durch Russland haben wir nun über 6‘500 KM zurückgelegt und sind am Baikalsee auf der Insel Olchon angekommen.

Die herumgebotenen Schauermärchen wegen korrupter Polizei und extrem schlechter Strassen können wir nicht bestätigen. Wir zählten mehr als 200 Patrouillenfahrzeuge und deren Besatzungen, an denen wir vorbeifuhren. Nur zwei Mal wurden wir ohne Folgen für uns aufgehalten. Vielleicht liegt unser problemloses Durchkommen auch daran, dass sehr viele MAN LKWs in Russland fahren. Zudem sind wir nicht mit „Tourist" oder „Germany" von weitem als fahrende Geldquelle sichtbar gezeichnet. Unser Schweizerkreuz an der Frontseite wird sehr oft auch als Rotes Kreuz interpretiert. Was immer, wir sind froh, Russland so problemlos befahren zu haben.
Die Strassen sind mehrheitlich gut bis sehr gut. Natürlich hat es Abschnitte, welche schlecht bis sehr schlecht zu befahren sind. Diese stehen aber in keinem erwähnenswerten Verhältnis zu den sehr gut zu befahrenden, unendlichen Distanzen. Wir sind laut GPS über die ganze Russlandstrecke einen Schnitt von 63 Km/h gefahren. Da noch zu reklamieren wäre unfair.

Nach dem Ural war Sibirien eher langweilig - sehr viele Dammstrassen in flachem Gelände Taiga und Birkenwälder soweit das Auge reicht, und dies tagelang.

Zu erwähnen ist allerdings der halsbrecherische Überholstil der russischen PKW-Fahrer. Diese haben keine Hemmungen, in unübersichtlichen Kurven, im Überholverbot bei einem Tempolimit von 60 Km/h mit stark übersetzter Geschwindigkeit im Blindflug vorbeizuziehen. Sofern sie links nicht vorbeikommen, gibt es rechts immer noch das Kiesbankett, welches sehr oft auch als zusätzliche Überholspur benutzt wird. Wir sahen zum Glück aber trotzdem keine schlimmen Unfälle.

Jammern nützt nichts. Ein gutes Mittel ist, vor dem Fahrzeug in einer Kolonne fahrend, immer genügend Freiraum zu lassen, so dass die Spinner wenigstens einbiegen können.

Für uns neu war auch, dass beim seitlichen Einbiegen auf eine grosse, ampelgesteuerte Kreuzung von einer Person des einzubiegenden Fahrzeugs eine Taste bedient werden musste, um dann Grün und freie Fahrt zu bekommen. Wir wollten nach zu langem Warten bei Rot einbiegen, als ein Fahrer hinter uns ausstieg und die Grünphase auslöste!

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